Christliches Manifest
Christliches Manifest

 

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N° 1.                                       Sonnabend, den 2. Oktober                                               1869

 

                                                                                 Der Volksstaat

                                                                      (Früher Demokratisches Wochenblatt)

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                   Organ der sozialdemokratischen Arbeiterpartei und der  internationalen

                                                        Gewerksgenossenschaften

 

An die Parteigenossen!

 

Mit Freude und Genugtuung begrüßen wir Euch, Parteigenossen, heute, wo unser Organ zum ersten Male unter dem zu Eisenach beschlossenen Namen in der neuen Form erscheint. Mit gehobenen Gefühl wird jeder von Euch die erste Nummer des „Volksstaates“ zur Hand nehmen; sind wir doch wieder einen Schritt weiter: und so werden wir weiter schreiten in rastlosem Kampfe, bis, während wir heute nur den Geburtstag eines Blattes feiern, der wahre der sozialdemokratische Volksstaat ins Leben tritt!

Die Behörden der Partei werden, fest das große Ziel im Auge, ihre Schuldigkeit zu thun versuchen. Aber jeder muß auf dem Posten sein, jeder muß emsig arbeiten, rüstig schaffen, unverdrossen wirken, selbstlos opfern! So nur wird einstmals das erhabene Ziel erreicht!

Darum denkt an die Notwendigkeit der Organisation! Wirkt für unsere Vereine, wirkt für die Partei, wirkt für den großen viel geschmähten, machtvollen Bruderbund der Arbeiter der ganzen Erde!

Wenn die Arbeitersache Euer ganzes Herz erfüllt, wenn ihr eure Mitbrüder zu einer gleichen Begeisterung aufrafft, dann wird die Zeit nicht mehr fern sein, wo die Arbeitersache die ersten großen Siege feiert.

Und wenn Ihr heute unseren „Volksstaat“ – dem Organ und Eigenthum der Partei – mehr Leser, mehr Abonnenten verschafft, wie das Eure Pflicht ist, aber auch eine Pflicht, die zu erfüllen Euch Freude machen muß, so werden wir um so schneller weiter kommen.

Und so begrüßen wir Euch an dem Geburtstage unseres „Volksstaates“ mit dem Ruf:

 

Es lebe der sozialdemokratische Volksstaat!

Es lebe die sozialdemokratische Agitation!

 

Braunschweig – Wolfenbüttel und Leipzig, 1. Oktober 1869. Der Ausschuß. Die Redaktion.

 

 

 

                                    Politische Uebersicht

Alle Zeitungen sind mit Nachrichten über die plötzliche Annäherung Oesterreichs an Preußen und Rußland erfüllt.

Ueber Einzelheiten der Unterhandlungen ist man noch nicht im Klaren, die Thatsache selbst steht über jeden Zweifel: Die Koalition ist so gut wie abgeschlossen; kein Zweifel: die Völker haben die Kosten zu bezahlen – so lange sie feig genug sind, es zu thun.

 

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Die Furcht vor der Revolution ihr Dasein verdankend, richtet sich die neue „Heilige Allianz“ gegen die Revolution und „bezweckt in erster Linie die Eindämmung der Französischen Republik, die selbst in monarchischen Kreisen als unvermeidliches Uebel betrachtet wird natürlich mit obligaten Demokraten und Demagogen diesseits des Rheins.

Spanien

Nachdem das Provisorium in Spanien genau ein Jahr lang gedauert hat, scheint jetzt die Krise hereingebrochen zu sein. In Tarragona und Barcelona hat der Versuch der Regierung die republikanischen Freiwilligen der Freiheit zu entwaffnen, zu heftigen Szenen, in der letzten Stadt sogar zu einem fünfstündigen Kampf geführt, der den amtlichen Telegrammen zufolge mit dem Sieg der Regierungstruppen geendet haben soll.

Aus England                                                                                  London, den 27. Septbr.

Jeder Arbeiterkongreß fügt neue Glieder zu der Kette, welche die Söhne und Töchter der Arbeit aneinander fesselt. Was die angeborene Menschenliebe nicht vermocht, was durch die Verheißung einer ewigen Glückseligkeit nicht bewerkstelligt werden konnte: die allgemeine Verbrüderung der Menschheit wird durch das allen Gemeinsame, materielle Interesse erreicht werden. Die Ueberzeugung, daß die Menschheit innerhalb gewisser Schranken die Schöpfer ihrer eigenen Lebensverhältnisse sind, und das Lebensglück des Einzelnen nur durch das Lebensglück aller begründet werden kann, greift täglich mehr um sich und bildet das Band der Vereinigung.

Aus Amerika                                                                            New = York, den 12. September

Die Verhandlungen des Arbeiterkongresses in Philadelphia haben der Workingmen’s Union in New York Veranlassung gegeben, eine scharfe Kritik über die sogenannten Arbeiterfreunde auszugießen. Diese Philanthropen und Weltbeglücker waren in der großen Körperschaft stärker vertreten, als der Sache gut war, und die Arbeiter müssen Mittel ergreifen, um ihre Reihen nicht mit guten Freunden zu vermischen, welche unter Umständen sich als falsche Freunde entpuppen könnten. Die Workingmen’s Union ist der Centralkörper der Trade = Unions von New = York und ihr kühnes Vorgehen in dieser Frage verdient großes Lob. Bestehende Schäden in der Partei müssen aufgedeckt, nicht ängstlich vertuscht werden. Die Furcht vor der öffentlichen Meinung ist feige.

 

N° 2.                                   Mittwoch, den 6. Oktober                                                1869

 

                                                     Politische Uebersicht

 

Es liegt in der Natur der neuen „Heiligen Allianz“, daß die Beteiligten kein Interesse haben, die Öffentlichkeit zu suchen. Der Zweck sowohl als die Motive sind lichtscheu. Keine Regierung sagt gerne, daß sie Furcht hat, keine Regierung sagt gerne, daß sie sich zum Kampf auf Leben und Tod und ums Dasein rüstet. (...)

Klar ist, daß der Gedanke zur Gründung eines Schutzbündnisses gegen die Revolution da zuerst aufgetaucht sein muß, wo die Bedrohung durch die Revolution am unmittelbarsten. Klar ist ferner, daß der Staat, der des Schutzes gegen die Revolution am dringendsten bedarf, die Bedingungen des Schutzbündnisses nicht vorschreiben kann. Wenn wir dies in’s Auge fassen, so ergibt sich für uns, daß nicht Oesterreich es war, das die preußische, sondern umgekehrt Preußen, das die österreichische Allianz suchte, so ergibt sich weiter, daß nicht Preußen die Bedingungen zu stellen hatte, sondern Oesterreich.

 

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N° 3.                                    Sonnabend, den 9. Oktober                                            1869

 

                                                        Politische Uebersicht

 

In Spanien haben die Republikaner überall die Fahne des Aufstandes gegen die freiheitsfeindliche Regierung aufgepflanzt. (...) Die Regierung selbst muß sich für schwer bedroht halten, sonst würde sie nicht bei den Cortes die Verlängerung des Belagerungszustandes über ganz Spanien beantragt und noch in letzter Stunde die Kandidatur des Herzogs von Genua aufgegeben haben. Marschall Prim hat, erschrocken über die Lage und die Unmöglichkeit einsehend, den Herzog von Genua auf den Thron zu bringen, sich wieder mit dem portugiesischen Ministerium in Verbindung gesetzt, welches vorgestern Dom Fernando beinahe dazu überredet hätte, die Krone anzunehmen, die er noch vor einigen Monaten schroff zurückgewiesen.

Die französische Kammer soll nach einem kaiserlichen Ukas erst am 29. November zusammentreten – über vier Wochen nach Ablauf der gesetzlichen Frist. Dieser Ukas, welcher die Verlegenheit Bonaparte’s und seiner Ratgeber enthüllt, hat große Erbitterung hervorgerufen und eine Anzahl von Abgeordneten, der alte brave Sozialist Raspail an der Spitze, sind entschlossen auf eigene Faust, kraft des  ihnen verliehenen Mandats, schon am 26. Oktober, dem Tage, wo die gesetzliche Vertagungsfrist von 3 Monaten zu Ende geht, sich in den Sitzungssaal des gesetzgebenden Körpers zu verfügen und dort der Regierung zum Trotz, zu tagen. Bei der in Paris herrschenden Stimmung könnte aus dieser Stimmung leicht eine Revolution werden. Die Regierung sucht den heranziehenden Sturm durch Ankündigung von Reformen zu beschwören, allein das französische Volk hat zuviel politische Bildung, um an den Widersinn eines demokratischen Säbeldespotismus zu glauben: es will keine Reformen, es will den Sturz des Empire.

 

Also Unterdrückung aller sozial = demokratischen Vereine! Die Arbeiter Oesterreichs werden den Handschuh aufnehmen! Und wenn der Kampf zwischen Arbeiter und Bürgerthum, den die Herren Giskra und Consorten in wahnwitziger Verblendung an den Haaren herbeiziehen,  in seinem ersten Stadium der pfäffisch = adeligen Reaktion zu Gute kommen sollte – so trifft die Schuld nicht die Arbeiter, sondern das „Bürgerministerium“, welches sich die Aufgabe gestellt zu haben scheint, den Beweis zu liefern, daß das heutige Bürgerthum selbst unter den günstigsten Bedingungen – günstigere als es seit 2 1/2  Jahren hatte, lassen sich unmöglich denken – unfähig ist, auch nur die einfachsten Probleme des politischen Liberalismus zu lösen, unfähig, auch nur die Grundmauern der „bürgerlichen Freiheit“ zu legen.

 

Aus Amerika

Arbeiter hüben und drüben                                                                   New = York, 16. Sept.

Wären die Arbeiter nicht so ungeheuer selbstgenügsam, so demüthig und mit jedem Brocken Abfindung zufrieden, suchten sie vielmehr für das ihnen fast stündlich geschehene Unrecht mit Unerbittlichkeit Vergeltung zu erlangen, den leisesten Schein der Gnade zu verschmähen und überall ihr Recht mit Entschiedenheit zur Geltung zu bringen: ihre Lage würde bald eine andere sein. Aber das ist ja das Bleigewicht der kulturgeschichtlichen Arbeiterbewegung, daß die große Masse feig und gefügig ist gegen jeden, von dem ihnen irgendwelche persönlichen augenblicklichen Vortheile erlangen kann, und daß sie kurzsichtig und zu konservativ ist, dem falschen Führer vom wahren zu unterscheiden und ersterem den Laufpaß zu geben, sobald seine Eulennatur hervorkommt.

Höher als der materielle Vortheil, welche die Strikes den Arbeiter gewähren, ist daher die durch sie hervorgerufene Erweckung der Männlichkeit, des Rechtsbewußtseins, kurz des Klasseninstinkts zu veranschlagen.

Klasseninstinkts zu veranschlagen.

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Am schlagendsten hat sich dies wohl gezeigt in dem Benehmen der Bergleute, welche ihre Brüder aus dem Mördergrund Burgk ans Tageslicht schafften, und dem Arbeiter zu Avondale im Staate Pennsylvanien, wo kurze Zeit nach dem sächsischen Unglück, ein ebenso schrecklicher Arbeitermord von Seiten der Grubenbesitzer stattgefunden hat. In den deutschen Zeitungen hat man nichts gelesen von Erbitterung und Haß der zu Leichenbestattern gewordenen Bergleute gegen den Besitzer und die höheren Beamten der Grube; nur Jammer und Wehklagen erfüllte die Luft der Plauen’schen Berge und „stille gottvertrauende Ergebung in das Unvermeidliche“, und vielleicht gar noch „heiße Dankgebete für die edlen Geber“, welche dem gütigen „Vater“ v. Burgk die Versorgung seiner „Kinder“ abgenommen, werden wahrscheinlich den Schluß der grausamen Tragödie bilden.

Wie anders die organisierten Bergleute in Avondale! Ein Auszug des Berichts der hiesigen „Staatszeitung“ (ohne offiziellen Charakter) wird den deutschen Parteigenossen am besten Zeigen, daß die Gewerksgenossenschaften die Wurzel der Arbeiterbewegung sind, und daß ohne ihre Kräftigung alle sonstige Agitation vergebens ist.

Die „Staatszeitung“ schreibt: „Ein düsterer Geist hat sich über die Mineure der Kohlenregion in jener Gegend Pennsylvaniens verbreitet. Sie wissen, daß der Geiz der Kapitalisten an dem großen Unglück Schuld ist, und daß bei jetziger Einrichtung der meisten Minen der Tod dem Bergmanne bei jedem Schritt, den er in den Gruben macht, auflauert.

Ob die Sympathien der „Staatszeitung“ und der anderen Blätter für die Kohlenarbeiter wirklich so  aufrichtig sind, als sie versichern, muß begreiflicher Weise bezweifelt werden. Wären die Avondaler Arbeiter feig, die kapitalistische Presse würde ganz anders schreiben.

Die Nationale Arbeiter – Union hat die Pflicht, mit ihrem ganzen Einfluss, die Avondaler Bergleute zu unterstützen, daß, wenn die Arbeiter Amerikas die ganze Wucht ihrer Organisation auf diesen einen Punkt würfen, sie nicht siegen sollten. Hoffentlich werden wir später Günstigeres darüber berichten, und somit den Arbeitern in Deutschland zeigen können, daß des Menschen Wille sein Himmelreich ist.

 

N° 4.                               Mittwoch, den 13. Oktober                                                 1869  

                                                    Politische Uebersicht

In einer Nachschrift könnten wir unseren Lesern am Donnerstag noch mittheilen, daß der republikanische Ausstand in Spanien großartig Dimensionen angenommen hat, und zu den besten Hoffnungen berechtigt. Die seitdem eingetroffenen Nachrichten, obgleich sehr unvollständig, erheben es über jeden Zweifel, daß die Sache der Republik fortwährend an Boden gewinnt. In Catalonien, Arragonien, Castilien, Andalusien und Valencia, also in der größeren Hälfte Spaniens, ist das Standrecht proclamirt, im ganzen Land die Freiheit der Person suspendirt, und daß die Regierung sich in Madrid selbst nicht sicher fühlt, erhellt am besten aus folgenden Telegramm: „Madrid, 7. Okt. Die Madrider Polizei trifft Vorsichtsmaßnahmen gegen Plünderung im Fall der Empörung.

 N° 5.                                     Sonnabend, den 16. Oktober                                               1869

                                                    Politische Uebersicht

Die Zustände des monarchischen Europa sind trotz der „Stabilität“, von der man uns so viel vorfaselt, in Folge des Widerspruchs, in dem sie zu den Bedürfnissen und Wünschen der Völker stehen, so schwankend geworden, daß jeder Tag die Combination des vorhergehenden Tags über den Haufen wirft, und daß, was gestern die Lage der Dinge richtig bezeichnete, heute als veraltet erscheinen. Wer kennt nicht die dissolving views, die sogenannten Nebelbilder? (...)

Nebelbilder? (...)

 

 

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Vor wenigen Wochen noch  Frankreich und Oesterreich zusammen gruppiert, bereit den Kampf mit Preußen und Rußland aufzunehmen.

Auf einmal wechselt die Szene: vor dem Krankenbett Bonaparte’s reichen die Monarchen Preußens, Rußlands und Oesterreichs sich die Hände, sich die Hand zum Bund gegen die Revolution, gegen die Republik.

Und nun wieder Szenenwechsel: der kranke Mann hat sich von seinem Lager emporgerafft, und sofort zerfließt das idyllische Friedensgemälde, wie ein Nebelbild zerfließt: mit der Furcht schwindet die versöhnliche Stimmung und von neuem erheben sich drohend die Hände, die eben noch den Bund gegen den gemeinsamen Feind besiegelt hatten. (...)

Man theilt uns mit: „Bonaparte hat begriffen, daß die Tage seiner Dynastie gezählt sind, wenn er nicht der Revolution zuvor kommt. Sein Plan ist: die allgemeine Entwaffnung zu fordern; wird diese, wie natürlich von Preußen abgelehnt, so wird er den Krieg erklären und ein Manifest veröffentlichen, in dem er auf jede Eroberung verzichtet, und den für den Fall des Sieges alle möglichen Erleichterungen verspricht, die er nicht gewähren könne, solange eine Militärmacht gleich der preußischen, an den Grenzen Frankreichs aufgerichtet sei.“

Wird Bonaparte die Zeit haben eine solche Politik in Szene zu setzen? Wohl kaum.

Die Gehrung in Frankreich ist schon zu weit fortgeschritten und die französischen Sozialisten und Republikaner kennen zu gut die Gefahren eines Krieges; sie werden alles thun, was in ihren Kräften steht, um einen dynastischen Krieg zu verhindern. (...)

„In Erwägung, daß der offenbare Wunsch des französischen Volkes nach einer anderen Ordnung der Dinge verlangt, welche den allgemeinen Frieden wiederum herstelle und die Abschaffung der permanenten Armeen gestatte, welche über 600 Millionen jährlich verschlingen, während der öffentliche Unterricht, das wahre Budget des Volkes, nur 15 Millionen zur Verfügung hat: (...)

 

 Aus England

                                                                                                               London, den 12. Oktobr.

Vor einigen Tagen starb der Bischof von Exeter, einer der größten Reaktionäre, die je gelebt haben. Wie ein verwitterter Wegweiser, der in der Nähe einer Eisenbahn einen längst verlassenen holprigen Fahrweg andeutet, stand er inmitten des Getümmels der Gegenwart und vergeudete seine außergewöhnlichen geistigen Fähigkeiten in vergeblichen Versuchen, die Gesellschaft auf den alten Fahrweg zurückzufahren und gegen jeden Fortschritt zu protestiren. Seine Universitäts = Studien machte er zur Zeit, als das englische Parlament mit der Heiligen Allianz gegen die französische Revolution gemeinsame Sache machte. Er blieb ein treuer Jünger und Apostel der damaligen Reaktion.

 

N° 6.                                     Mittwoch, den 20. Oktober                                            1869

                                                         Politische Uebersicht

Ueber den Stand der Dinge in Spanien schreibt ein spanischer Parteigenosse aus Barcelona d. 10. d. M.: „Ihr Bericht aus Spanien in Nr. 2. des „Volksstaat“ veranlaßt mich folgende Zeilen an Sie zu richten: es ist wahr, daß sich in Barcelona nur eine kleine Anzahl von Freiwilligen der Entwaffnung widersetzt und sich geschlagen hatte und natürlich besiegt worden ist. Ich hörte das schon in Marseille und bei meiner Ankunft hier wurde es mir von Republikanern bestätigt, nur sind mehr Soldaten geblieben als die Regierung angiebt, und darunter zwei Oberste.

 

 

 

 

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Was Sie in Nr. 1. des Blattes von der „trefflichen Organisation“ der Partei in Catalonien sagen, ist mir wie bitterer Hohn vorgekommen, ich habe auch an eine treffliche Organisation geglaubt, und daher nie das Auftreten bei verschiedenen Gelegenheiten begreifen können. Jetzt, wo ich die Sache aus der Nähe betrachte, bin ich zu der Ueberzeugung gekommen, daß es in Spanien Republikaner genug, aber keine republikanische Partei giebt, d. h. es fehlt durchaus an Organisation, an Einheit des Willens und Handelns. (...)

Bezüglich Frankreichs verweisen wir auf unsere Pariser Correspondenz. Die Bevölkerung, vor allem natürlich die Arbeiter, sind revolutionär, während die sogenannten demokratischen Volksvertreter auf jede Weise abzuwiegeln bemüht sind. Besagte Volksvertreter sind wohl in der Phrase für den Sturz des Kaiserreiches, allein es soll auf parlamentarischem Wege gestürzt werden, als ob Revolution und Parlamentarismus sich einander nicht ausschlössen. Wer parlamentarisch revolutioniren will ist entweder ein Charlatan oder ein Confusionsrath.

Auch Victor Hugo, der König der Phrasenmacher, hat sich gegen die Demonstration des 26. Oktober erklärt. In einem Brief an den „Siècle“ schreibt er:

- - „Da die Linke sich enthält, so muß auch das Volk sich enthalten. Es fehlt ihm der Stützpunkt. Mithin keine Kundgebung. Das Recht ist auf Seiten des Volkes, der Gewaltakt auf Seiten der Regierung. Geben wir derselben keinen Vorwand, Gewalt gegen das Recht zu üben. Niemand darf am 26. Oktober in die Straße hinabsteigen. Thatsächlich geht aus der Situation die Abschaffung des Eides hervor.* Eine feierliche Erklärung der Vertreter der Linken, welche sich im Angesicht der Nation von ihrem Eide lossagen, das ist der wahre Ausgang der Krise, die moralische und revolutionäre Lösung derselben. Ich knüpfe absichtlich nicht zwei Worte aneinander. Möge das Volk sich enthalten und der Chassepot ist gelähmt, mögen die Volksvertreter sprechen und der Eid existirt nicht mehr. Dies sind die beiden Rathschläge, die ich gebe, und da Sie die Güte haben, und um meine Ansicht befragen, so haben Sie sie hiermit vollständig. Ein letztes Wort: An dem Tage, wo ich eine Insurrektion anrathen werde, werde ich zugegen sein. Diesmal rathe ich sie nicht an. (...)

*Die Kandidaten mußten dem Kaiser den Eid leisten.

Man schreibt uns: Nach dem „Sozial = Demokrat“ wird „Präsident“ Schweitzer „unmittelbar nach dem 26. Oktober“ seine lang angekündigte und stets verschobene Agitationsreise beginnen. Warum denn aber nach dem 26. Oktober? Werden unsere Parteigenossen fragen. Darüber giebt der Schweitzer’sche Moniteur folgende Antwort: Sollte, was möglich ist, der 26. Oktober zu entscheidenden Ereignissen in Paris führen, so muß die Reise auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Denn es ist klar, daß nach einer entscheidenden Wendung  in Paris der Vereinspräsident auf dem Posten stehen und die gesamte Partei eine einheitliche in ganz Deutschland bedeutungsvolle Haltung zeigen müßte.

„Wie? Was? Herr von Schweitzer, der uns neulich vorwarf, daß wir beständig von Republik und Revolution sprächen, aber schwerlich auf dem Posten seien, wenn es gelte einzustehen, erläßt plötzlich mitten in der Hauptstadt des von Bajonetten starrenden Nordbundes unter dem Schutze von 40000 der Berliner Besatzung und mehr als 2000 Berliner Schutzleuten eine so drohend klingende Bekanntmachung? Will Robespierre = Schweitzer wirklich auf dem Giebel Nr. 17 der Gitschenerstraße  die „rothe Fahne“ aufstecken und die Soldaten und die Polizei des Herrn von Bismarck verachtend, die „Soziale Revolution“ predigen und sich selber natürlich an die Spitze stellen? Nichts von alledem. Es ist das feigste elendste Komödienspiel, das ein Arbeiterführer je getrieben.

 

N° 7.                                Sonnabend, den 23. Oktober                                              1869

                                                   Politische Uebersicht

 

Die jüngsten Berichte aus Spanien lassen leider die Sache der Republikaner als hoffnungslos erscheinen, Valencia ist nach heldenmüthiger Gegenwehr überwältigt worden, und der

erscheinen, Valencia ist nach heldenmüthiger Gegenwehr überwältigt worden, und der

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Aufstand hat jetzt nirgends mehr einen Stützpunkt. Die meisten Freischaren sind zersprengt, und, obgleich nicht Alles so rasch, wie die Regierungsberichte in Aussicht stellen, so unterliegt es doch keinem Zweifel, daß dieser Aufstandsversuch mißglückt ist. Forschen wir nach den Ursachen des Nichterfolgs, so reicht das vorhandene Material hin, um das Urtheil unseres Barcelonaer Correspondenten (s. Letzte Nummer des "Volksstaat") zu bestätigen, daß der Mangel an einheitlichem Handeln die Schuld trägt. (:::)

In Spanien haben die privelegierten Menschenschlächter die Republik begraben. Aber sie wird wieder aufstehen in Frankreich, und wenn sie von da ihren Rundgang beginnt, auch über die Pyrenäen steigen, und Trost spenden dem edlen unglücklichen Märtyrer=Volk. (...)

 Aus England

                                                                                                            London, den 18. Oktbr.

Während sich Hunderte und Tausende den Kopf zerbrechen, wie der täglich mehr um sich greifenden Verarmung zu steuern ist und die nothwendigsten Bedürfnisse der arbeitenden innerhalb der bestehenden Verhältnisse befriedigt werden können, bereiten sich die Londoner Arbeiter vor, einen Feldzug gegen die Verhältnisse selbst zu unternehmen. Sie sind zu der Ueberzeugung gelangt, daß die ökonomische Grundlage der heutigen Gesellschaft die Wurzel aller Uebel, daher jedwede politisch – soziale Kesselflickerei vergeblich ist. (...)

 

N° 8.                                   Mittwoch, den 27. Oktober                                              1869

                                                      Politische Uebersicht

„In Spanien herrscht Ruhe“, verkünden uns triumphirend die offiziellen Telegramme; sie haben Recht es herrscht „Ruhe“ die bekannte „Ruhe des Friedhofs“, nur unterbrochen von dem Knallen der Standrechtsbüchsen, und dem Todesröcheln der „zu Pulver und Blei begnadigten“ Republikaner. Ganz wie bei uns – vor zwanzig Jahren. Ob sie nun Prim heißen oder Windischgrätz, oder Prinz von Preußen, oder Bonaparte, ob sie Preußische, Oesterreichische, Französische oder Spanische Uniform tragen – sie haben allesamt nur das eine Mittel der Gesellschafts – und Staatsretterei: Kugeln und Bajonette für das sein Recht verlangende Volk! Und sie haben allesamt die nämliche Angst noch vor dem besiegtem Volk, so daß jede Regung der Großmuth in ihnen erstickt wird, und sie die überwundenen Feinde mit unmenschlicher Rache verfolgen. - -

(...) Am 26. Oktober?

Die „parlamentarischen Führer“ haben das Volk im Stich gelassen. Nur der einzige Raspail ist treu geblieben, und will sich am Dienstag nach der Kammer begeben. Einer oder Hundert das ist gleich, falls das Volk, falls die Arbeiter auf dem Platze sind. Die Parlamentarier und die Regierungsleute sehen mit Schrecken dem 26. Oktober entgegen. Der Verlauf spottet der Vorausberechnung. Das aber ist gewiß, fällt das Kaiserthum nicht an diesem Tag, so wird es bei irgend einem anderen Anlaß fallen. (...)

 

N° 9.                                   Sonnabend, den 30. Oktober                                            1869

                                                      Politische Uebersicht

 

Der 26. Oktober ist ruhig verlaufen. Auch Raspail hatte sich noch „in der elften Stunde“ zurückgezogen, und damit den Beweis geliefert, daß auch die tüchtigsten Charactäre „nicht ungestraft unter den Palmen“ des Parlamentarismus „wandeln“. Für das revolutionäre Volk war damit jeder Anlaß zur Aktion an diesem Tage weggefallen. Es konnte sich doch nicht für den

 

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Parlamentarismus schlagen, der in der Person aller seiner Vertreter, selbst der Radikalsten inen Selbstmord begangen hatte. (...)

Der Versuch der Oestereichischen Regierung, den in Dalmatien entstandenen Brand mit einem Male „auszutreten“, ist mißlungen, und die Feuersbrunst greift immer weiter um sich. Es unterliegt keinem Zweifel, daß der Aufstand wohl vorbereitet ist, und das er von Montenegro aus unterstützt wird und in Bosnien, Albanien, der Herzegowina, ja bis nach Serbien und Rumänien hin seine Verzweigungen hat. Jedenfalls ist es nicht ein „Stück orientalischer Frage“, was uns hier entgegentritt, sondern es ist die ganze orientalische Frage, die sich plötzlich in ihrer gefährlichen Form – als südslawische Frage, gleichzeitig den Bestand Oesterreichs und der Türkei bedrohend – in den Vordergrund gedrängt hat. Daß es den vereinigten Anstrengungen beider Staaten gelingen wird, sie wieder zurückzudrängen bezweifeln wir nicht. Aber es wird nicht leicht sein. Denn die europäischen Verhältnisse haben sich wieder derart gestaltet, daß der russische Kaiser von seinem Onkel in Berlin gar nicht zu reden, ein offenbares Interesse daran hat, den Aufstand mit aller Energie zu nähren und zu unterstützen.

In der großartigen Arbeiterbewegung der Vereinigten Staaten nimmt das deutsche Element eine würdige Stellung ein, wie ein Blick in die dortigen Arbeiterzeitungen lehrt.

N° 10                                Mittwoch, den 3. November                                             1869

                                                      Politische Uebersicht

Die Furcht des Bürgerthums vor dem Proletariat ist die Mutter unmöglich auf seine Bestrebungen verzichten, denn sie sind nur ein Ringen um die Existenz. An dem Bürgerthum – natürlich reden wir nicht von der Bourgeoisie, dem Großkapital, das uns nothwendig als Feind gegenüber stehen muß – an dem Bürgerthum ist es also, noch zu entscheiden, ob es lieber das Joch des Cäsarismus tragen, oder die Berechtigung der Sozialdemokratie in vollstem Maaße anerkennen will. Cäsarismus oder Sozialdemokratie ist die Losung des 19. Jahrhunderts.

Entweder – Oder.

Wer vor den Zielen der Arbeiterbewegung erschrickt, der gehört nicht in den Kampf der Gegenwart.

 

Aus Frankreich                                                                              Paris, 22. Oktober

Niemand war über den 26. Oktober schlechter unterrichtet, als die kaiserliche Regierung und ihre Polizei. Noch am Vorabend dieses von ihr so gefürchteten, aber von den Führern der revolutionären Partei längst aufgegebenen Tages wurden die umfassendsten Vorsichtsmaßregeln getroffen, Maueranschläge gegen Zusammenrottungen gemacht, Truppen mit scharfen Patronen versehen, in die verschiedenen öffentlichen Gebäude gelegt, die durch die Revolution bedroht werden konnten, die Zellengefängnisse zum Empfange neuer, zahlreicher Gäste in Bereitschaft gesetzt, die Garnisonen innerhalb und außerhalb von Paris, die Forts und umliegenden Ortschaften marschfertig gemacht, die Pferde gesattelt, die Kanonen bespannt, und alle Regimenter in deren respektiven Casernen consigniert.

 

Aus England                                                                                          London, den 18. Oktbr.

Die Gloria – Gloria Halleluja – Tage der radikalen Bürgerregierung verdüstern sich mehr und mehr. Als im Sommer 1866 das damalige Ministerium eine Reform – Versammlung im Hydepark verbot und die Thore durch Polizei besetzen ließ, verhüteten die Arbeiter einen Zusammenstoß dadurch, daß sie die eisernen Geländer aus dem Weg räumten, welche sie hinderten in den Park zu gehen.(...) 

Aus Frankreich                                                                              Paris, 22. Oktober

Niemand war über den 26. Oktober schlechter unterrichtet, als die kaiserliche Regierung und ihre Polizei. Noch am Vorabend dieses von ihr so gefürchteten, aber von den Führern der revolutionären Partei längst aufgegebenen Tages wurden die umfassendsten Vorsichtsmaßregeln getroffen, Maueranschläge gegen Zusammenrottungen gemacht, Truppen mit scharfen Patronen versehen, in die verschiedenen öffentlichen Gebäude gelegt, die durch die Revolution bedroht werden konnten, die Zellengefängnisse zum Empfange neuer, zahlreicher Gäste in Bereitschaft gesetzt, die Garnisonen innerhalb und außerhalb von Paris, die Forts und umliegenden Ortschaften marschfertig gemacht, die Pferde gesattelt, die Kanonen bespannt, und alle Regimenter in deren respektiven Casernen consigniert.

 

Aus England                                                                                          London, den 18. Oktbr.

Die Gloria – Gloria Halleluja – Tage der radikalen Bürgerregierung verdüstern sich mehr und mehr. Als im Sommer 1866 das damalige Ministerium eine Reform – Versammlung im Hydepark verbot und die Thore durch Polizei besetzen ließ, verhüteten die Arbeiter einen Zusammenstoß dadurch, daß sie die eisernen Geländer aus dem Weg räumten, welche sie hinderten in den Park zu gehen.(...)

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N° 11                                Sonnabend, den 6. November                                            1869

               Bonaparte hat wieder einen „Anfall“ gehabt, der ganz Europa in die Glieder gefahren ist. (...)

Aus Paris schreibt man: „Für die Anhänger der internationalen Arbeiter – Association hat man seit der Verurtheilung und Unterdrückung ihres sogenannten „Pariser Büros“ einen neuen Mittelpunkt unter dem Namen „Chambre fédérale du travail Parisien“ (Bundeskammer der Pariser Arbeit) gebildet. Hier laufen so ziemlich alle sozialistischen Bestrebungen zusammen.

Die preußische „Fortschrittspartei“ will aus ihrem Abrüstungsantrag politisches Kapital schlagen, und hat eine Reihe von Volksversammlungen angekündigt

Politische Uebersicht

Aus England                                                                                             London, 1. Novbr.

Die Proletarier haben einen Bund gestiftet, sie haben der bestehenden Gesellschaft den Krieg erklärt. Bisher brüsteten sich unsere gelehrten Philister immer damit, daß die englischen Arbeiter nie von der Seuche des eigentlichen Sozialismus und Kommunismus angesteckt worden seien. Sie erklärten sich diese Thatsache daraus, daß der englische Arbeiter mit mehr common sence – gesundem Menschenverstand – begabt sei als der französische; nach ihrer Meinung hauste die bête noire* hauptsächlich in Paris. *schwarzes Biest

 

N° 12                                Mittwoch, den 10. November                                            1869

                                                       Politische Uebersicht

Der preußische Fortschrittsrevival* ist jämmerlich ins Wasser gefallen. Gleich bei der ersten Versammlung wurden die Todten von den Lebenden Begraben. Zwar gelang es dem Hofsozialismus noch einmal, der gesunden Aktion des Proletariats, die Spitze abzubrechen, doch das wird ihm nicht mehr lange gelingen, und wir lassen uns die Freude über den Arbeitersieg nicht vergällen. *Revival – Erweckung.

                                                 Beilage zum „Volksstaat“ Nr. 12

                                               Vom Rechte das mit und geboren

Vortrag gehalten im allgemeinen Rechtsschutzverein zu Berlin, von G.S. Schäfer, Prediger der freireligiösen Gemeinde.

(...) Die Fassung ihres Vereinszwecks giebt mir den Anhalt und die Veranlassung zu meinem Vortrage. Sie unterscheiden danach zwei Seelen des Rechts, und haben die eine Seite wie es gewöhnlich geschieht, das natürliche Recht genannt, die andere das verfassungsmäßige, d. h. staatliches Recht. Dieses letzte hat noch viele verschiedene Bezeichnungen, man nennt es auch das geschichtliche oder das historische Recht, weil es im Verlaufe der Zeit entstanden ist. Man nennt es auch das erworbene Recht, weil es von den Vorfahren überkommen und übernommen worden ist. Auch Goethe macht diesen Unterschied in der Stelle, woraus eigentlich das Thema, welches diesem Vortrage vorliegt genommen worden ist. Diese Stelle lautet so:

„Es erben sich Gesetz und Rechte,

Wie eine ew’ge Krankheit fort,

Sie schleichen von Geschlecht sich zu Geschlechte,

Und rücken Jacht von Ort zu Ort,

Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plage.

Weh Dir, daß Du ein Enkel bist,

Vom Rechte, das mit uns geboren ist,

Weh Dir, daß Du ein Enkel bist,

Vom Rechte, das mit uns geboren ist,

Von dem ist leider nicht die Frage.“

 

                                                                                                  120

Also auch hier sind die beiden Seelen des Rechts gegen einander gehalten, nämlich das ererbte oder geschichtliche Recht, und das angeborene oder natürliche Recht. (...)

Wir werden jetzt das geschichtliche und das natürliche Recht näher und übersichtlicher mit einander vergleichen können. Das geschichtliche wie das natürliche Recht sind blos zwei sich ergänzende Seiten desselben Rechts. Recht die ewige, unveränderliche und normale Seite, während das geschichtliche die sich stets verändernde und fortentwickelnde Seite des Rechts ist. (...)

Ich gehe jetzt weiter, und zwar zu den einzelnen ungeborenen Rechten oder zur Untersuchung dessen, was uns von Natur gemäß ist. (...)

Auf verschiedenen Entwicklungsstufen des Menschengeistes ist auch seine Natur eine verschiedene. Wir haben uns also an die verschiedenen Stufen des menschlichen Lebens anzuschließen, um die vier Gesichtspunkte des Naturrechts in das rechte Licht zu setzen. (...)

Das erste Recht können wir nennen, das Recht überhaupt zu leben, und zwar schließt das das thierische Leben ein.

 

N° 13.                                      Sonnabend, den 13. November                                          1869

An die Parteigenossen!

Die Partei ist in Noth!

Als in der großen französischen Revolution die reaktionären Mächte sich gegen die Revolution und die Republik verschworen hatten und ihre Söldnerheere entsandten, um Frankreich die Mutter von beiden zu unterdrücken, da erklärte der Französische Convent „das Vaterland in Gefahr“. Das genügte; die Begeisterung der Franzosen für ihre revolutionäre Sache schlug die Feinde zu Boden und lustiger wehte das Banner Frankreichs, das Banner der Republik.

                                                       Politische Uebersicht

Heute vor 21 Jahren, am 10. November 1848 meldete die amtliche „Wiener Zeitung“:  „Mittels standrechtlichen Urtheils vom 8. d. M. ist Robert Blum, Buchhändler aus Leipzig, durch eigenes Geständnis, wegen aufrührerischer Reden und bewaffneten Widerstands gegen die kaiserlichen Truppen zum Tode durch den Strang verurtheilt und in Ermangelung eines Freimanns die Sentenz mit Pulver und Blei durch Erschießen am 9. November vollzogen worden.“ (...)

„Die Erinnerung an Robert Blum wird fortleben, solange es Deutsche giebt, die an ein großes freies Vaterland glauben. Und gesühnt wird sein Tod erst dann sein, wenn sich erfüllt hat, was er Namens der Nation begehrte und was er mit seinem Tode besiegelte – wenn ein freies frei und einig von den Alpen bis zum Meere – die Brigitten an eingeschlossen sich dehnt.

„In diesem Deutschland der Zukunft wird Robert Blum’s Todestag ein Tag allgemeiner Feier – wenn auch kein Bettag – sein!“

Aus England                                                                      London, den 1. Novbr.

Wie die Bourgeoisie gegen die Arbeiter = Klasse „liberal“ ist, beweist sie in den Wahlintrigen. Während der ganzen jüngsten Reform = Agitation schwatzten die Bürgerlichen Führer immer davon wie wünschenswert es sei, wirkliche leibhaftige Arbeiter im Parlament zu haben. Sie wollten Arbeiter nicht um ihre Klasse zu vertreten, sondern als Leute, die man bei verschiedenen Gelegenheiten um Rath fragen könnte, aber – sie konnten sich nicht dazu verstehen, den Arbeitern irgendwo einen Platz einzuräumen.

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Vom Rechte das mit uns geboren. (Fortsetzung)

Nun weiter! Auf der zweiten Stufe der Entwicklung wird das Recht ein Höheres. Wir werden im Allgemeinen sagen können, und das gilt auch für die folgenden Stufen, es hat der Mensch das Recht glücklich zu leben. Die Naturmäßigkeit bringt allerdings nicht immer die Verwirklichung dieses Rechtes mit sich. (...)

 

N° 14                                Mittwoch, den 17. November                                           1869  

                                                       Politische Uebersicht

Bei den Herbstwahlen in den Vereinigten Staaten sind die Demokraten überall von den Republikanern geschlagen worden. In Folge dessen ist nun die endgültige Annahme des 15. Amendments erforderliche Zweidrittel – Majorität im Senat gesichert. Durch dieses Amendment wird die Gleichberechtigung der Rassen ausgesprochen und zu einem Fundamentalsatz der Verfassung erhoben. Damit wäre die Emanzipation der Neger besiegelt, und die Partei der Demokraten, welche die Wiedereinführung der Negersklaverei auf Umwegen anstrebte, von der politischen Bühne verdrängt.

 

Von dem Rechte das mit uns geboren (Fortsetzung)

Ich hole übrigens nach, was ich schon auf dieser zweiten Stufe hätte erwähnen sollen. Auf dieser zweiten Stufe nämlich, die ich das individuell = oder persönlich = naturgemäße Leben genannt habe, ergiebt sich für den Menschen von Natur aus das Recht, seine eigenen Gefühle und Gedanken zu haben und sie für sich zur Darstellung zu bringen, d. h. soweit andere davon nicht berührt werden. (...)

 

N° 15                                     Sonnabend, 20. November                                           1869    

Von dem Rechte das mit uns geboren. ( Fortsetzung)

Wir kommen zur letzten Stufe der Menschlichen Entwicklung, das ist die Stufe des universal = naturgemäßen. Der Mensch fühlt und erkennt sich nämlich zuletzt auf der höchsten Stufe seines Bewußtseins als ein Glied der allgemeinen Natur.

 

N° 17                                             Sonnabend,  27. November                                       1869

Der Staat und das Genossenschaftswesen.

Zu Artikel X des Eisenacher Programms.   I

C.H. Es ist eine durch die Statistik hinlänglich erwiesene Thatsache, daß unter den modernen staatlichen und gesellschaftlichen Einrichtungen die Zunahme der Reichthümer begleitet, ja, vielfach überflügelt wird von der Zunahme des Pauperismus, mit anderen Worten: daß die Zahl der Besitzenden abnimmt im Verhältnis zu der Masse des Proletariats. Die allgemeine Ursache dieser Erscheinung ist in der Modernen Produktionsweise gefunden worden, die auf einer großen Arbeitstheilung und großen Vorschüssen an Anlagekapital, Rohmaterial und Lohnfonds, beziehungsweise auf freien Kauf und Benutzung lebendiger Arbeitskraft als einer Marktware beruht. (...)

Es ist allerdings unbestreitbar, daß nur in der Freiheit und den politischen Reformen die Lösung der Sozialen Frage gedacht werden kann, ebenso gewiß ist aber auch, daß in den Reformen – als Formen – allein die Lösung an und für sich gegeben ist. Sie liegt sowohl begrifflich als auch geschichtlich in der Bildung von Kollektiv – Eigenthum  auf dem Wege der Genossenschaft. (...)

 

                                                                                                         122

Die Genossenschaft ist aus der bürgerlichen Produktion herausgewachsen, die die Arbeiter daran gewöhnt, zu einem gemeinsamen Zweck – freilich dem Zweck, dem Zweck eines Dritten – ihre Arbeitskraft unter ein Kommando zu stellen und sich „in die Hände zu arbeiten“. Die Bourgeoisie hat aber nicht nur die Arbeiter den Nutzen der Vereinigung und ihnen die Disziplin zur Genossenschaft anerzogen, sondern sie hat sie auch direkt dazu aufgemuntert und angetrieben, sich genossenschaftlich zu vereinigen. Freilich brachte sie ihre eigene Zweckvorstellung dabei mit, die Genossenschaft sollte ihre Mitglieder aus Ausgebeuteten zu Ausbeutern, zu Kapitalisten machen, ein naiver Standpunkt, auf welchen heute in Deutschland Schulze – Delitzsch mit seinen Genossenschaften steht.

Aber die Unvereinbarkeit dieses Zweckbegriffs mit der ganzen Individualität der in der Genossenschaft vereinigten Arbeiter bedingt den Mißerfolg solcher Genossenschaften. Wenn sie nämlich Erfolg haben, verändern sie gewöhnlich die normale Arbeiteranschauung, das auf die Erlösung der ganzen Klasse gerichtete Streben und verwandeln den Genossenschaftler in einen egoistischen Aktionär. (...)

Man kann z.B. namentlich von den Auspizien des Herrn Schulze – Delitzsch zu Stande gekommenen Produktiv – Genossenschaften sagen, daß sie nie mißlungener waren, als in den wenigen Fällen, wo sie als gelungen und erfolgreich bezeichnet wurden. Umgekehrt die Mißerfolge, die – womit sich Herr Schulze trösten mag – in den vorgerückteren Industrieländern ebenso regelmäßig sich einstellten, wie bei uns in Deutschland, hatten wenigstens den Erfolg, die Arbeiter an das wahre, das ächte Prinzip der Genossenschaft zu führen: auf die Produktion von unveräußerlichen Kollektiv – Eigenthum, und gleichem Nutznießungsrecht (verbunden mit Altersversorgung).

 

N° 18.                                   Mittwoch, den 1. Dezember                                           1869

                                                         Politische Uebersicht

Wiener Signale                                              I                                        Wien, 24. November

Die „Volkstimme“ ist zur Abwechslung wieder einmal konfizirt worden, denn ihr kräftiger Klang schlägt zu rauh und unangenehm an die hohen** Ohren der Regierung. Doch so ganz haben die edlen Polizeischergen ihre Absicht doch nicht erreicht; obwohl sie sich diesmal sehr zeitig auf den Weg machten, kamen sie doch schon zu spät: (...)

** wir hoffen, unser geehrter Correspondent gebraucht dieses doppelsinnige Wort nur in respectvollem Sinn.

(...) Der nächste Redner, Most, sagt, die Anwesenden sollten sich nur nicht stören lassen, die Absicht der Polizei sei doch klar; er kommt schließlich zu dem Satz: „von einer Besserung unserer Lage kann erst dann die Rede sein, wenn aus dem gegenwärtigen Militär – und Polizeistaaten wirklich freie Staaten geschaffen worden sind.“ – Jetzt war’s aber dem „Gespenst“ zu dick; es sprang zum dritten Male auf und rief: „ Ich löse die Versammlung –.“ Der Vorsitzende aber war ihm zuvorgekommen, indem er sagte: „Meine Herren, die Tagesordnung ist erschöpft; ich erkläre die Versammlung für geschlossen.“

 

Aus England                                                                                  London, den 22 Novbr.

Das besteuerbare Einkommen der Besitzenden vermehrt sich trotz der allgemeinen Geschäftsstockung und die Einkünfte der arbeitenden Bevölkerung vermindern sich. In der letzten Woche des Monats Oktober erhielten in London 2000 Personen mehr Armenunterstützung als zur selben Zeit 1868; 13000 mehr als 1867; 25000 mehr als 1866. Gegen 35000 stecken in Armenhäusern und 100000 werden in ihren eigenen Wohnungen unterstützt.

 

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Aus Amerika                                                                                           New = York, 8. Novbr.

„Man genirt sich nicht – „man ist rücksichtslos“ – scheint nur der allgemein verständliche Ausdruck, um das Thun und Lassen der Amerikaner, im Gegensatz zu dem in Deutschland zu bezeichnen. Der Egoismus welcher allen Menschen innewohnt und den zu mildern die Aufgabe der Civilisation ist, wird hier so offen zur Schau getragen und mit dem Grundsatz „der Zweck heiligt die Mittel“ ein solcher Kultus getrieben, daß wenn irgendwo so hier die Schopenhauer’sche Weltanschauung die vollste Berechtigung erhält. Freilich sind hier nicht alle Leute der Ansicht. Aber die stehende Phrase: Amerika ist das Land der „selbstgemachten Männer“, das Land wo jeder sich zum Millionär aufschwingen kann, beweist, daß hier die schonungsloseste Selbstsucht, ohne jeden Schein des Anstands herrscht. (...)

 

N° 19.                                   Sonnabend, den 4. Dezember                                         1869

                                                         Politische Uebersicht

Am 29. November trat in Paris der gesetzgebende Körper zusammen. Die Regierung steht im wahrsten Sinne des Wortes rathlos da. Bald denkt sie an einen neuen Staatsstreich, bald an „Versöhnung durch die Freiheit“. Sie weiß aber sehr gut, daß jeder Gewaltakt, jede Conzession nur das Ende beschleunigen kann. Gegen den Tod ist kein Kraut gewachsen. Die Blut – und Eisenpolitik hat sich in Frankreich ihr Grab gegraben, wie sie, weil im Widerspruch mit den Interessen der Völker, es überall thun muß.

Der Staat und das Genossenschaftswesen

Der Artikel X des Eisenacher Programms  II

C.H. Um zahlreichen Arbeitslosen Beschäftigung und dadurch Brod zu bieten, sind nicht blos 1848 im republikanischen Frankreich, sondern auch früher und später in anderen, in monarchischen Ländern von Staats wegen Unternehmungen theils direkt begründet theils indirekt gefördert worden. Diese Intervention des Staats in den Gang der bürgerlichen Produktion war in den betreffenden Verhältnissen für nöthig befunden worden, weil man nicht anders die gefährliche Masse zu beseitigen wußte, die, als „überschüssige Hände“ als „Reserve“ eine natürliche und nothwendige Zugabe zur modernen kapitalistischen Produktionsweise, eine stete Gefahr für Sicherheit und Ordnung der Gesellschaft bildet. Dieses friedliche Aushülfsmittel aus einer großen sozialen Verlegenheit wurde indeß nicht lange versucht, sondern bald ersetzt durch Cartätschen, Deportationen, Gefängnisse und massenhafte Auswanderung. (...)

Was die Mittel betrifft, so stehen wir hier wieder vor der Frage, die uns am Schlusse des ersten Artikels beschäftigt hat: ist Staatskredit oder überhaupt positive, materielle Begünstigung seitens des Staates zulässig oder nicht?

Die Sozialisten weisen um die Frage zu bejahen zu dürfen, darauf hin, daß der Staat längst mit aller Energie auf Bildung und Mehrung von großem Privateigenthum hingearbeitet habe und es dafür an Exemptionen, Immunitäten, Privilegien, Benefizien, Dotationen, Subventionen, Darlehen, Garantien, Krediten, Stundungen, usw., usw. noch heute keineswegs fehlen lasse, daß vielmehr die positive Unterstützung, die der Staat den Inhabern von Privateigenthum aller Art zur Vermehrung desselben angedeihen läßt, von Jahr zu Jahr enormer und augenfälliger wird. (...)

Eine Frage ist die, ob und unter welchen Vorbedingungen eine derartige Staatshilfe, - die wir und zumindest als Staatskredit denken – durchführbar ist.

 

                                                                                                         124

N° 21.                              Sonnabend, den 11. Dezember                                           1869

                                                      Politische Uebersicht

Parlamentarismus und Revolution sind Gegensätze, wie Reden und Handeln. Die Revolution kann nicht parlamentarisch und der Parlamentarismus nicht revolutionär sein. Das bewahrheitet jetzt recht augenfällig in Frankreich an den beiden Vertretern der Revolution, welche das allgemeine Stimmrecht in die Kammer gebracht hat – an Raspail, dem Revolutionär aus Prinzip, und Rochfort, dem Revolutionär aus Temperament. (...)

 

Aus England                                                                                     London, 29 November

Die „irische Schwierigkeit“ wird alle Tage schwieriger. Am 17. Februar 1866 stimmten 358 Mitglieder des Unterhauses gegen 8 für Suspension* der Hebeas – Corpus – Akte** in Irland. Die Verkündung, daß 8 dagegen gestimmt, ward mit Gelächter und Frohlocken begrüßt. Der damalige „liberale“ Minister des Innern bedauerte eine solche Maßregel vorschlagen zu müssen. Die Fener = Verschwörung war schon seit 1862 bekannt. Sechsunddreißig Männer, worunter viele Schriftsteller, waren im Gefängnis, sie wurden schlimmer behandelt als gemeine Verbrecher, und die Regierung hatte gehofft, daß die Verurteilungen heilsame Warnungen an andere sein würden, aber vergebens. Der Oppositionschef Disraeli versicherte, daß die Verschwörung nicht durch innere Mißverhältnisse, sondern von jenseits des Ozeans erzeugt worden sei.

* zeitweilige Außerkraftsetzung  ** des Gesetzes welches die persönliche Freiheit verbürgt

Der Staat und das Genossenschaftswesen

Der Artikel X des Eisenacher Programms.   III

Gegen die Ausführbarkeit einer staatlichen Förderung des Genossenschaftswesens auch Darlehen wird geltend gemacht, daß der Staat nicht im Besitz der ungeheuren Mittel sei, die nöthig wären, um alle Arbeiter auf solche Weise in Genossenschaften zu beschäftigen. Es muß dieser Einwand in dem Falle als ganz zutreffend bezeichnet werden, wenn davon die Rede sein sollte, mit einem Schlage die jetzige Produktionsweise aufhören, und eine allgemeine Staatsproduktion beginnen zu lassen. Es ist indeß dieser Gedanke so absurd, daß man ihn billigerweise bei keinem Sozialisten, der ihn nicht ausdrücklich – und unseres Wissens hat dies noch keiner gethan – voraussetzen sollte. Die Frage der Staatsproduktion anlangend, die hier manchmal ohne innere Veranlassung herbeigezogen wird, ist es beiläufig bemerkt zwar richtig, daß sie in der Regel nicht profitabel ist als Produktion, allein die Hauptursache, warum sie es nicht ist, scheint uns eine sehr erfreuliche: die liegt in der besseren Lebensstellung der in der betreffenden Staatsproduktion verwendeten Arbeiter. Die anderen Ursachen sind niemals wesentliche, sondern zufällige, die sich heben. (...)

 

N° 22                                     Mittwoch, 15. Dezember                                               1869

                                                           Wiener Signale

(...) Die sozialdemokratische Partei hat an diesem Ministerium nichts zu verlieren, und bekommt Oesterreich eines, das noch reaktionärer auftritt, dann haben wir nicht lange zu leiden, es wird die Katastrophe für Oesterreich beschleunigen und seinen Völkern so wie den nachbarlichen Erlösung bringen. (...)

Aus Preußen

ah. Der Kultusminister von Mühler sitzt fester denn je, trotz Ziegler und Genossen und trotz allem Parlamentiren. Derselbe König Wilhelm, welcher als Prinz = Regent den Pietismus in

 

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scharfen Worten geißelte und dem Muckerthum offenen Krieg erklärte, erwiderte jüngst beim Empfange des Vorstandes der Brandenburger Synode (unter Führung Mühler’s) auf die Ansprache des Vorsitzenden Folgendes: „Es that der Kirche dringend Noth, das etwas geschah zur Beruhigung der Geister, denn wir haben viele Feinde ich denke nicht an die Katholiken.* Wenn wir nicht mehr den Glauben haben an den Heiland, daß er der Sohn Gottes, was soll dann werden? Dann wären auch seine Aussprüche nur Menschensatzungen. Darum wiederhole ich meinen Wunsch, daß Sie in Frieden möchten das begonnene Werk zu Ende bringen. * sondern die aufgeklärten Protestanten

Geliebter Bruder Wilhelm in Christo! Schade um jeden Friedrichd’or, der auf seine Erziehung aus dem Volkssäckel vergeudet wurde, Schade um die kostbare Zeit, die der große Alexander von Humboldt nutzlos auf deine Belehrung verwendet hat, Schade um jede Stunde, die der große Forscher dadurch weniger in seinem Studirzimmer zugebracht hat! Die Fürsten sind die ärgsten Heuchler, ihr lasterhaftes Hofleben wird durch den Mantel der Religion gedeckt. (...)

 

Aus Frankreich                                                                        Paris, den 7. Dezember

Bekanntlich war früher die entscheidendste und am meisten verleumdete Arbeiterparthei in Frankreich nicht die einer bestimmten sozialistischen oder kommunistischen Schule angehörige, sondern jene revolutionäre Aktionsparthei, welche Blanqui zu ihrem Chef hatte.

Dem Prinzipe nach kommunistisch  hat sie sich jedoch weniger mit Theorien und Systemen, als mit revolutionären Maßregeln beschäftigt, die zum Zwecke hatten, die auf Elend und Unterdrückung der Arbeiterklasse gegründete Gesellschaft in eine auf Gleichheit und Solidarität basirte Arbeitergesellschaft umzugestalten. – Seitdem Siege der Reaktion im Jahre 1848, und besonders seit dem 2. Dezember 1851, konnte diese im Blute der revolutionären Bewegung erstickte Parthei kein Lebenszeichen mehr von sich geben. Die unterdrückte Arbeiterklasse der jüngeren Generation, die sich vor allem wieder nach Freiheit sehnte, schloß sich meist dem kleinbürgerlichen Sozialismus Proudhons an, ein französischer Delitzschianismus, der allerdings;  um so viel revolutionärer als sein deutsches Schattenbild ist, wie das französische, das der ersten großen Revolution herstammende Kleinbürgerthum das deutsche an revolutionärer Energie überragt. (...)

 

Aus England                                                                                      London, 6. Dezember

Der Generalrath der internationalen Arbeiterassociation hat die, von Karl Marx vorgeschlagenen Beschlüsse in Betreff der irischen Amnestie – Angelegenheit die bereits im „Volksstaat“ dargestellt, einstimmig angenommen. „Die Gefangenen wollen wir frei haben!“ erschallt es durch ganz Irland. Jede, von Gladstones Partheigenossen berufene Versammlung wird verhindert. Die Klerisei hält zu Gladstone, das Volk erklärt sich gegen die Klerisei. (...)

 

N° 23                                 Sonnabend, den 18. Dezember                                          1869

An die streikenden Arbeiter im Waldenburger Kohlendistrikt

Arbeiter! Brüder!

Ihr habt einen schweren aber gerechten Kampf begonnen gegen maaßlose Unterdrückung! Unsere Sympathien sind mit Euch und aus ganzer Seele wünschen wir Euch den Sieg! Denn wo die Arbeiter mit ihren Unterdrückern im Kampf liegen, da kämpfen sie für die gemeinsame Sache, für die Rechte der unterdrückten Arbeit! Und wenn an einem Ort oder in einer anderen Gegend den Arbeitern der Sieg geworden ist, so ist es ein Sieg der gesamten Arbeiterklasse!

                                                         Politische Uebersicht

Die Wiener Arbeiter haben Wort gehalten. Sie waren am Montag auf dem Platz, und haben der Regierung und dem Reichsrath ihren Willen kundgethan.

 

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Ueber 40000 Arbeiter, schreibt man uns, nahmen Theil an der Kundgebung und so imposant war dieselbe, daß, nachdem Zugeständnis der liberalen Bourgeoisie, selbst das Jahr 1848 auch nicht annähernd eine ähnliche Massen = Demonstration aufzuweisen hatte.

 

Aus Amerika                                                                                  New York, 24 Novbr.

Man hat sich längst gewöhnt, die Auswanderung der Europäer nach Amerika nicht als eine in der Geschichte vereinzelte Thatsache, sondern als Fortsetzung der seit urdenklichen Zeiten vor sich gehenden Völkerwanderung von Ost nach West anzusehen. Welche Zeit und welche besondere Wanderung wir auch betrachten, immer ist es die Noth, der Mangel an Existenzmitteln gewesen welche die Völker zwang von Gau zu Gau, von Land zu Land, von Erbtheil zu Erbtheil zu ziehen. Wann war mit Ausnahme der letzten Jahre, z. B. die deutsche Auswanderung am nach Amerika verhältnismäßig am  stärksten? Nach dem 30jährigen und nach dem Siebenjährigen Kriege, als die Fluren verwüstet, die Städte geplündert oder niedergebrannt, Handel und Wandel vernichtet waren, trotzdem zu damaliger Zeit die Seefahrt weit gefährlicher und die Ansiedlung in Amerika unendlich mühsamer war als jetzt, wo man diese kaum fühlt, daß er auf der anderen Hälfte der Erdkugel sich befindet.

 

N° 24                                  Mittwoch, den 22. Dezember                                          1869  

                                                         Politische Uebersicht   

In Oesterreich Ministerkrisis. Die feudal = klerikalen Elemente sind dort wieder erstarkt, daß die Herren Giskra und Consorten sich von der Unhaltbarkeit ihrer Stellung überzeugt und dem Kaiser – nicht „ihre Dimension  eingereicht“ (das wird amtlich dementiert) – aber doch den Wunsch haben, sich ihrer Portefeuilles zu entledigen. Möglich, daß die Krisis sich noch eine Zeit lang hinschleppt, allein  die Thatsache steht fest, daß das Bürgerministerium bloß noch als Nothbehelf fortregirt wird, sobald es dem von der pfäffisch – junkerlichen Camarilla beherrschten Franz Joseph  beliebt. – Hätte es sich auf die Arbeiter gestützt, statt sie, und damit den einzigen Bevölkerungstheil, der ihm eine Stütze bieten konnte, in fast unbegreiflicher Thorheit und Engherzigkeit von sich zu stoßen: das Bürgerministerium stände jetzt allgebietend da, und würde dem Kaiser Gesetze vorschreiben, statt von dessen Laune abzuhängen.

 

Endlich ist in Italien mit Ach und Krach ein Nothministerium zustande gekommen. Lanza eine der Hauptstützen des herrschenden Corruptionssystems, hat das Präsidium Viskonti Benossa, Urheber der berüchtigten Septemberkonvention (1864), die den Versicht auf Rom enthält, übernimmt das Auswärtige, Sella, Urheber des berüchtigten Stoß – ins – Herz – Vertrags mit Preußen das Kriegsdepartement. Die Italiener können sich Glück wünschen. Beiläufig sei bemerkt, daß die Anwesenheit Gavone’s im Kabinet von verschiedenen Seiten so gedeutet, als sei es den preußisch – russischen Bemühungen gelungen, das Königreich Italien von Frankreich abwendig zu machen. Das ist jedoch eine durchaus irrige Vermuthung, die in der falschen Voraussetzung wurzelt, der von Gavone 1866 abgeschlossene Vertrag sei gegen Frankreich gerichtet gewesen, während er umgekehrt durch Bonaparte, der natürlich die Zerreißung Deutschlands will, vermittelt wurde. Viktor Emmanuel kann sich ebensowenig der französischen Allianz entziehen, wie König Wilhelm der russischen und zwar aus den nämlichen Gründen.

Aus England    

London, den 13. Dezember. (Fortsetzung   der Adresse der Land – und Arbeiterliga)

„Alle Parteien stimmen darin überein, daß die Leiden der arbeitenden Bevölkerung nie intensiver (heftiger), das Elend nie so ausgebreitet

 

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und zugleich die Mittel, die Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen, nie so reichlich vorhanden waren, als in der gegenwärtigen Zeit. Diese beweist vor allem, daß die moralische Grundlage der Regierungen: „das Wohl der Gesamtheit ist das höchste Gesetz und soll das Endziel aller Gesetzgebung sein“ ganz und gar beiseite gesetzt worden ist. Diejenigen, welche die Geschicke der Nation lenken, haben entweder, während sie mit den Sonderinteressen der Besitzenden beschäftigt waren, um sie zu bereichern, ihre erste Pflicht muthwilliger Weise vernachlässigt; oder ihre soziale Stellung, ihre Bildung, ihre Klassenvorurtheile, verhindern sie, ihre Pflicht zu erfüllen und die richtigen Heilmittel anzuwenden: in beiden Fällen haben sie das Volk verrathen. (...)

Vor einigen Wochen traten zwanzig Londoner Arbeiter zusammen um die Frage zu erwägen. Sie kamen zu dem Schluß, daß die heutige ökonomische Grundlage der Gesellschaft die Ursache aller Uebel sei, und daß nur eine Umgestaltung der herrschenden sozialen und politischen Verhältnisse helfen, und daß eine solche Umgestaltung nur durch die Arbeiterklasse selbst bewirkt werden könne. (...)

Zur Ausführung derselben ward beschlossen eine Arbeiterorganisation unter dem Titel: „Der Land = und Arbeiterbund“ zu stiften. (...)

Nach reiflicher Ueberlegung einigte sich die Kommission über folgende Punkte:

  1. Nationalisierung des Grundeigenthums.*
  2. Kolonisation im eigenen Land.
  3. Nationale, religionsfreie, unentgeldliche und obligatorische** Schulbildung.

4.  Unterdrückung der Privatbanken, die Papiergeld fabriziren. Der Staat soll allein die Macht

     haben, Papiergeld zu machen.

5. Eine direkte und progressive Eigenthumssteuer an Stelle aller anderen Steuern.

6. Liquidation (Tilgung) der Nationalschuld.

7. Abschaffung des stehenden Heeres.

8. Verminderung der Arbeitszeit

9. Gleiche Wahlrechte und Bezahlung der Volksvertreter (Diäten***). (...)

* Verwandlung des Grundeigenthums in Staatseigenthum.

** jedem zur Pflicht gemacht.

*** In England erhalten Parlamentsmitglieder keine Diäten: die Vertreter der Privilegierten wissen den Rahm der Staatsmilch abzuschöpfen und die Armen haben im Unterhaus nichts zu suchen. Man sieht auch die Diätenlosigkeit der Norddeutschen Reichstagler ist nicht auf Bismarck’schen Mist gewachsen.

Wir fordern Euch daher auf, Euch zu vereinigen, zu organisiren und zu verbinden. Laßt durch Irland, Schottland, Wales und England den Ruf erschallen: Das Land für das Volk, den wahren Erben der Gaben der Natur. Kein rationeller Zustand der Gesellschaft kann den Boden, die Lebensquelle, den Launen und der Willkür von einigen Privatleuten überlassen. Eine Regierung, erwählt durch und für das ganze Volk, ist die einzige Macht, welcher die Verwaltung des Bodens zum Vortheil Aller anvertraut werden kann.

Ihr werdet um den Ertrag Eurer Arbeit betrogen durch Landgesetze, Geldgesetze und eine Menge anderer Gesetze. (...)

Menge anderer Gesetze. (...)

 

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„Wohlan denn Arbeiter und Arbeiterinnen aller Konfessionen und Geschäfte! Verlangt euer Recht wie mit Einer Stimme, sammelt Euch, vereinigt Eure Kräfte unter der Fahne des Land = und Arbeiter = Bundes, und erkämpft Eure Emanzipation!“

Dies ist die Adresse, sie ward unter großem Beifall angenommen.

 

N° 25.                                    Sonnabend, 25. Dezember                                            1869

                                                         Politische Uebersicht

Wenn auch die Oesterreichische Ministerkrise nicht zunächst durch die Haltung des Bürgerministeriums in der Arbeiterfrage veranlaßt ist, so hat sie doch in derselben unzweifelhaft ihren Ursprung; die Nationalitätenfrage hätte nicht so drohend werden können, die Regierungsmaschine nicht so vollständig ins Stocken gerathen können, wenn das Ministerium die billigen Forderungen der Arbeiter bewilligt und auf allgemeinen gleichem Wahlrecht beruhende Volksvertretung, allgemeine Wehrhaftigkeit (Volksheer) und freies Versammlungs = Vereins = und Coalitionsrecht eingeführt hätte. Wäre dies geschehen, so würde die Nationalitätenfrage jetzt für Oesterreich „ein Märchen aus alten Zeiten“ sein, die Ränke des Pfaffen = und Junkerthums forderten höchstens den Spott heraus, und statt des jämmerlichen Flickwerks , daß heute die allgemeine Verachtung erregt, stände auf neuer unerschütterlicher Grundlage das neue Oesterreich der Schrecken seiner Feinde, die Hoffnung Deutschlands, Europa’s. - -

 

Aus Frankreich                                                                           Paris, 17. Dezember

Nachdem die bekannten alten und neuen Führer der demokratischen und bürgerlichen Republik es nicht wagten, sich an die Spitzes des revolutionären Volkes zu stellen, und nachdem dieses Letztere, wie schon früher gemeldet, nicht gesonnen war, allem und von den bürgerlichen Radikalen getrennt ins Feuer zu gehen, um sich einer ziemlich sicheren Niederlage auszusetzen, so rückt der Parlamentarismus seinem Ziele immer näher. Dieses Ziel ist kein anderes, als eine konstitutionelle, liberale oder „demokratische“ Monarchie unter einem Mitglied der orleanistischen Familie. Die kaiserliche Dynastie hat wohl eine starke Ahnung von dieser Gefahr. Aber was dagegen machen? Sie steht zwischen der Skylla einer Palastrevolution und der Charybdis einer wirklichen, einer Volksrevolution. Das einzige was sie thun konnte war der Versuch Zeit zu gewinnen. Aber die Galgenfrist, die sich durch die Vertagung der Kammer gegeben hat, ist abgelaufen. Wie sehr er sich auch dagegen sträubte, der Kaiser ist endlich genöthigt, ein parlamentarisches Ministerium zu nehmen, er kann es nur in der liberalen Kammermajorität finden, und diese ist, wie man sich auch mit ihr drehen und wenden mag, orleanistisch von der Rechten bis zur Linken.

 

N° 26.                                 Mittwoch, den 29. Dezember                                            1869

                                                       Politische Uebersicht  

Das Oestereichische „Bürgerministerium“ hat seinem reaktionärem Treiben die Krone aufgesetzt: Mittwoch, den 22. des. Morgens zwischen vier und fünf Uhr, wurden die „Führer“ der Montagsdemonstration von Häschern in ihrer Wohnung überfallen, und mit Ausnahme Hartungs, der glücklich entkam, verhaftet.

 

Aus England                                                                               London, 20. Dezember

Das Hungerfieber greift um sich, es herrscht in zwei und dreißig von sieben und dreißig Kirchspielen der britischen Hauptstadt, und drei Fälle von Hungertod sind in einer Woche öffentlich bekannt geworden. Wie viele fallen als Opfer des Mangels ohne buchstäblich  

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Hungers zu sterben? Die drei Fälle, welche im Verlaufe der Woche zu gerichtlicher Untersuchung führten, waren ein junger Mensch von 18 Jahren, ein alter Mann von 62 Jahren und eine Frau von 29 Jahren.

 

Aus Amerika                                                                            New = York, 1. Dezember 1869

Morgen tritt der Kongreß der Vereinigten Staaten von Nordamerika wieder zusammen. Wie wird er aussehen? Was wird er bringen? Wie wird Grant seine Feuerprobe als Staatsmann bestehen? Diese und viele andere allgemeine Fragen beschäftigen schon seit mehreren Wochen die Zeitungen und professionellen Politiker.** Für diese, welche aus den jetzigen Staats = und Gesellschaftszuständen allein Gewinn ziehen, ist jede Kongreßsession eine Quelle großer Aufregung; sie betrachten die Politik als eine Geschäftsspekulation, bei welcher sie fortwährend auf dem Laufenden sein müssen. Die Arbeiter dagegen, durch die unglaublich Korruption der Politiker und Banken, welche sie nicht ausrotten zu können glauben, von der Politik abwendig gemacht und mit Widerwillen gegen sie erfüllt, betrachten die Wiedereröffnung des Kongresses einfach als eine Gelegenheit der großen Herren, sich und ihren Helfeshelfern die Taschen von Neuem zu füllen.

** Politiker von Profession, Handwerk

 

 

 

 

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