Christliches Manifest
Christliches Manifest

 

Artikel 5: Der europäische Raum als christlicher Raum.

Europa gründet sich auf zwei Eckpfeiler, die bestimmend waren für seinen historischen Verlauf: Die jüdisch-christliche Welt und die griechisch-römische Antike. Das erste wird gebildet durch ein ethisches Fundament und eine dogmatische Glaubenswelt, das zweite durch ein wissenschaftliches Fundament. Der christliche Glaube ist aus der Geschichte Israels zur Zeit der Antike hervorgegangen, während alle Grundlagen wissenschaftlicher Erkenntnis und Forschung, soweit sie bestimmend waren für die europäische Geschichte,  ihren Ursprung in der griechischen Antike haben, wie Philosophie, Physik, Geographie, Historiographie, Mathematik und Medizin. Im Griechenland der Antike hat auch die Botschaft des Evangeliums im 1. Jahrhundert nach Christus zuerst Fuß gefasst.

Das weströmische Reich mit Rom als Mittelpunkt erlag 476 dem Ansturm der Germanenstämme, die sich in den nachfolgenden Jahrhunderten dem Christentum zuwandten, bis eine Erneuerung des römischen Staatsgedankens am Weihnachten 800 durch die Kaiserkrönung Karls des Großen vollzogen wurde, gegründet auf  Christentum und Kirche, wie es von Kaiser Konstantin (306-337) in die Wege geleitet, und von Kaiser Theodosius am Ende des 4. Jahrhunderts vollendet wurde. Diese Krönung war der Gründungsakt des Heiligen Römischen Reiches, das sich auf den universalen Staatsgedanken gründete und bestimmend war für die Geschichte des Mittelalters, das in seiner zweiten Hälfte geprägt war vom dem Gegensatz zwischen Kaiser und Papst. Rassische und nationalstaatliche Konzeptionen standen in diesem Reich nicht im Vordergrund.

Das oströmische Reich mit Byzanz als Mittelpunkt überdauerte das weströmische Reich um fast tausend Jahre, bis es 1453 dem Ansturm der Türken erlag. Zuvor war es 1054 zur großen Kirchenspaltung gekommen, und die Christenheit in einen katholisch-lateinischen und einen griechisch-orthodoxen Teil  spaltete mit dem Ergebnis, dass daraus die russisch-orthodoxe

              

 

[8] Übersetzung nach Menge. (ev.)

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Kirche hervorging, und das zaristische Russland sich als Fortsetzung des byzantinischen Kaiserreiches sah.   

Im Mittelalter, bis zur Zeit der Reformation durch Martin Luther und Johannes Calvin, waren Mönche und Nonnen ein prägendes Merkmal der Kirche, sie waren Träger kultureller und wirtschaftlicher Entwicklung und der Bildung. Zu den Mönchsorden hat es im Laufe der Kirchengeschichte kritische Distanz gegeben, es sollte aber ihre historische Bedeutung nicht ausschließlich aus einem negativen Gesichtspunkt gesehen werden. Namen von Bedeutung und Auswirkung können hier genannt werden. Der gegenwärtige Papst hat seinen Namen Franziskus auf Franz von Assisi (1181-1226) zurückgeführt. Die Reformbewegung der Abtei von Cluny, zu Beginn des 10. Jahrhunderts im heutigen Frankreich gelegen, war der Ausgangspunkt bedeutender Klosterreformen. Hildegart von Bingen (1098-1179) war eine Universalgelehrte ihrer Zeit, sie wurde am 7. Oktober 2012 von Papst Benedikt XVI. zur Kirchenlehrerin erhoben. Martin Luther war Mönch des Augustinerordens, der seinen Namen auf Augustinus (354-430) einem der Kirchenväter zurückgeführt hatte.

Luther hat entscheidende Impulse für sein Glaubensleben von Johannes Tauler (1300-1361) empfangen, durch den er  mit den Schriften des Meister Eckhart (1260-1328) in Berührung kam,  die in dem Satz gipfelten: „Man soll Gott nicht außerhalb von sich selbst erfassen wollen“. Tauler und Eckart waren Dominikanermönche.

Schon vor der Reformation Martin Luthers hatte das Zeugnis des christlichen Glaubens in den Gesellschaften der Zeit starke Einbußen erlitten, zunächst durch die Machtkämpfe zwischen den Institutionen Kaiser und Papst, gegründet auf die Frage, ob die weltliche Macht sich der geistlichen Macht unterzuordnen habe. Nachhaltig geschädigt wurde das christliche Glaubenszeugnis durch die Kreuzzüge, die Ende des 11. Jahrhunderts ihren Ausgang nahmen.

Die Gegensätze wurden noch verschärft durch das Schisma im 14. Jahrhundert, das drei Päpste hervorbrachte, die sich gegenseitig mit dem Bann belegten, der Ruf nach Reformen wurde oft erhoben, führte aber zu keinem durchschlagenden Erfolg. Es begann eine Abkehr und im 15. Jahrhundert eine vermehrte Hinwendung und Rückbesinnung auf die Zeit der Antike und zum Humanismus. Naturwissenschaften entfalteten sich und stießen auf den Widerstand der Kirche.

Nikolaus Kopernikus (1473-1543) wagte es nicht seine wissenschaftlichen Erkenntnisse bei Lebzeiten zu veröffentlichen. Galileo Galilei (1564-1642) musste in einem 1616 beginnenden Prozess der katholischen Kirche gegen ihn die Ergebnisse seiner Forschungen widerrufen und wurde für die letzten Jahre seines Lebens von 1633 bis 1642 unter Hausarrest gestellt. 1979 beauftragte Papst Johannes Paul II. die Katholische Akademie der Wissenschaften, den Fall Galileo Galilei aufzuarbeiten. 1992 wurde er rehabilitiert. 

In das Verlangen nach einer Kirchenreform, die ausgeblieben war, stieß Martin Luther mit dem Thesenanschlag am 31. Oktober 1517, der sich demnächst zum fünfhundertsten Mal jährt. Dem folgte das Konzil von Trient, das sich in drei Sitzungsperioden von 1545 bis 1563 erstreckte. Es war eine Reformbewegung als Reaktion auf die Lehren der Reformation.

Im 16. Und 17. Jahrhundert wurde der Westen Europas von Glaubenskriegen und Verfolgungen heimgesucht, eine Entwicklung, wie sie den Kirchen des Ostens erspart blieb. Seit Ende des 17. Jahrhunderts gewann die protestantische Bewegung des Pietismus besonders in Preußen Einfluss, nachdem sie aus dem Westen Deutschlands vertrieben worden war. Aufmerksamkeit über die Grenzen Preußens hinaus erregten die von August Hermann Francke gegründeten

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„Halleschen Waisenhäuser“, eine Bildungseinrichtung, die unabhängig vom gesellschaftlichen Stand, Schülern offen war. Zar Peter der Große (1672-1725) hatte eigens eine Abordnung nach Halle entsandt, um Informationen über diese Bildungseinrichtungen zu erlangen.

Mit der Entdeckung Amerikas 1492 begann die von Europa ausgehende Kolonialherrschaft, die unter christlichen Vorzeichen betrieben wurde in einer Weise, die mit den ethischen und dogmatischen Grundsätzen des Evangeliums von Jesus Christus keine Gemeinsamkeiten aufwies, was den Dichter Theodor Fontane (1819-1898) zu der Aussage veranlasste: „Sie sagen Christus und meinen Kattun.“ Der Satz könnte für die politische Gegenwart umgewandelt werden und heißen: Sie sagen Demokratie und Freiheit und meinen Öl und Rohstoffe.

Eine andere Entwicklung in Europa ist gekennzeichnet durch die absolutistische Monarchie, die sich auf ein Gottesgnadentum berief, und damit die Glaubwürdigkeit der christlichen Botschaft ein weiteres Mal in Zweifel zog. Die Folge war eine Abkehr und Hinwendung zur Aufklärung, die in der Französischen Revolution ihren Ausdruck fand, und in der Forderung nach einem demokratischen Verfassungsstaat gipfelte.

Im 19. Jahrhundert kam die „Soziale Frage“ hinzu, die 1848 zu einem Höhepunkt gelangte in der Veröffentlichung des „Kommunistischen Manifestes“ im Februar 1848 durch Marx und Engels.

Hinrich Wichern (1808-1881) hatte hierzu die „Innere Mission“ gegründet aus der Erkenntnis heraus, dass die christliche Mission im Innern beginnen müsse, bevor sie nach außen getragen werde. Demokratischer Verfassungsstaat und das Aufwerfen der sozialen Frage, so hatte Hinrich Wichern gemeint, hätte aus den Reihen der christlichen Kirchen kommen müssen und nicht von den Gegnern des Christentums.

Auf katholischer Seite muss hier besonders Adolph Kolping (1813-1865) hervorgehoben werden, der sich der sozialen Frage zuwandte, nachdem er als Schuhmachergeselle auf der Wanderschaft die menschenunwürdigen Lebensbedingungen der meisten Handwerksgesellen kennengelernt hatte. Im Alter von 24 Jahren begann er einen neuen Lebensweg, besuchte ein Gymnasium, studierte Theologie und wurde im April 1845 zum Priester geweiht. Als Domvikar in Köln gründete er den ersten Gesellenverein, der schnell anwuchs auch über die rheinischen Grenzen hinaus, um durch Gründung von Gesellenhospizen, das Leben der Handwerksgesellen zu erleichtern und ihre sozialen Lebensumstände zu verbessern.

Die Abkehr verstärkte sich im 20. Jahrhundert. Im Ersten Weltkrieg wurde auf beiden Seiten mit theologischen Argumenten gekämpft, um herauszufinden, wer den allmächtigen Gott auf seiner Seite hätte. Das zentrale Anliegen der christlichen Botschaft, die Versöhnung zwischen Gott und Mensch und die Versöhnung der Menschen untereinander, hatte darin keinen Platz. Das Ergebnis war ein rasanter Säkularisierungsprozess nach dem Krieg, bei Siegern und Verlierern gleichermaßen.

Die Abkehr erreichte ihren nie dagewesenen Höhepunkt in der nationalsozialistischen Ideologie, die sich durch und durch mit heidnischen Symbolen umgab, wie es in der Geschichte, besonders im europäischen Raum, als ein Novum angesehen werden musste. Der christliche Widerstand dagegen erwies sich als zu schwach, um das daraus folgende Unheil zu verhindern.

Der europäische Raum im weitesten Sinne hat sich in seinem unterschiedlichen Verlauf als christlich verstanden, aber mit seinem Herrschaftsanspruch dem christlichen Glaubenszeugnis

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schweren Schaden zugefügt. Es handelt sich um ein weitgespanntes Europa: Russland ist mit allen Wurzeln und Fasern seiner Geschichte eine europäische Nation, und auch Amerika ist aus der europäischen Geschichte hervorgegangen.

Dieses Europa auf der Grundlage der christlichen Botschaft zu erneuern muss mit einem Bekenntnis des Versagens in der europäischen Geschichte einhergehen, wenn der Maßstab, den das ethische Fundament des Evangeliums voraussetzt, Erfüllung finden soll.

Am Beispiel der gegenwärtigen Situation in Afrika lässt sich das erläutern. Afrika war immer einem Ausbeutungsprozess unterworfen, es sei nur an den Sklavenhandel erinnert, ein besonders grausames Unterfangen in der Menschheitsgeschichte. Dieser Ausbeutungsprozess findet seine Fortsetzung in einem Raubzug, den die großen Industrienationen gegenwärtig auf dem afrikanischen Kontinent betreiben, da wird den ärmsten der Armen das letzte Hemd ausgezogen. Bundespräsident Horst Köhler hat als Präsident des IWF diesbezüglich einige Erfahrungen sammeln können, was ihn zu der Aussage veranlasste: „Die Menschlichkeit dieser Welt entscheidet sich am Schicksal Afrikas.“

Europa ist Afrika verpflichtet, vergleichbar der deutschen Verpflichtung gegenüber Israel und der jüdischen Gemeinde vor einem historischen Hintergrund.

Die gesamte europäische Geschichte ist von einem Selbstzerfleischungsprozess durchzogen, der schließlich im 20. Jahrhundert zu zwei weltumspannenden Kriegen geführt hat, die das „alte“ Europa in die Bedeutungslosigkeit geführt hat. Eine Entwicklung, die sich fortsetzt in Bedrohungsszenarien. Wer sich nach 1990 der Überzeugung hingab, die Blockbildung des Kalten Krieges sei überwunden, sieht sich getäuscht. Atomare Bewaffnung wird bereitgestellt und offen damit gedroht. Ein dritter Waffengang der europäischen Völker untereinander bedeutete den endgültigen Absturz in einen Abgrund ohne Wiederkehr.

 

6. Artikel: Kreationismus

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